Starke Frauen braucht das Land
Maria Silberberger ist Touristikkauffrau und Dipl. Sommeliere.
Nili Kaya ist Weinhändlerin und ebenfalls Dipl. Sommeliere.
Beide sind ländlich aufgewachsen. Geprägt von Müttern, die für ihre Töchter stark sein mussten. Für beide war es seit jeher wichtig, sich selber treu zu bleiben, auch wenn dies bedeutete, Opfer zu bringen. Sie sind leidenschaftlich und schätzen ihre Heimat sehr. Wie die zwei lebenshungrigen Frauen lernten, so stark zu sein und ihren Weg zu gehen, erzählen die jeweiligen Porträts.
T E X T: P A T R I C I A W I M M E R
Originalartikel erschienen im eco.nova Magazin
Im Herbst 1992 kam Maria Silberberger zur Welt und wuchs in einem beschaulichen Dorf auf. Die Familienidylle wurde durch den frühen und unerwarteten Tod des Vaters erschüttert, er starb als Maria 5 Jahre alt war. Dennoch verbrachte Silberberger eine schöne Kindheit, umgeben von wilder Natur, einer liebevollen und großen Verwandtschaft, einer Mutter, die für ihre Tochter da war und einem 11 Jahre älteren Bruder, der auch ein wenig die Vaterrolle übernahm.
Sehr prägend waren die vielen Stunden, die Silberberger bei Tante, Onkel, Cousins und Cousinen im nahe gelegenen Hotel verbrachte. Schon früh lernte sie dadurch, mit verschiedensten Arten von Menschen zu kommunizieren und erhielt Einblick in die Gastronomie. Eine der Cousinen war Marias großes Idol. Die 17 Jahre ältere Gastronomin war weltoffen und weitgereist und Silberberger wusste, dass auch sie eines Tages reisen wolle.
Die allererste größere Reise unternahm sie bereits mit 17 Jahren. Alleine verbrachte sie einen ganzen Sommer lang in Griechenland, um in einer Strandbar zu arbeiten.
Nach Beendigung der Pflichtschuljahre wechselte Silberberger an die Tourismusschule St. Johann, wo sie drei Jahre Fachschule und drei Jahre Aufbaulehrgang absolvierte. Nach Beendigung dieser ging Silberberger mit 20 Jahren für neun Monate nach Florida, um dort in einem hiesigen Country Club zu arbeiten. Diese Zeit war sehr intensiv und erlebnisreich und ließ die junge Frau im Hinblick auf weitere Reisen Blut lecken.
Wieder zurück zu Hause war die Umstellung des „American way of life“ auf das Tiroler Bergdorf anfangs holprig und Silberberger wusste, dass sie bald wieder in die Welt hinaus musste. Davor jedoch arbeitete sie ein Jahr lang bei der Firma Swarovski in der VIP Lounge.
Während dieser Zeit lernte Silberberger bei einer Skitour auf einer Hütte den damaligen Geschäftsführer des Tourismusverbandes Hohe Salve kennen. Die beiden kamen ins Gespräch und Silberberger wurde die Leitung des Büros in Aussicht gestellt. So kam es, dass Maria zum TVB Hohe Salve wechselte und mit 22 Jahren ihre erste Führungsposition, welche von Infrastruktur bis Eventmanagement reichte, inne hatte. Insgesamt blieb sie dreieinhalb Jahre dort, lernte wie man im Management unterwegs ist und man Persönlichkeiten noch besser einschätzt und mit ihnen umgeht.
Die große Welt rief und Silberberger ging wieder ins Ausland. Dieses Mal nach Vail im Bundesstaat Colorado. Sie arbeitete in einem relativ neuen und hippen Restaurant, zusammen mit einem tollen jungen Team, jedoch ließ das Personalmanagement zu wünschen übrig. Nachdem Silberberger auch noch Wind von krummen Geschäften bekam, verließ sie ganz gegen ihre sonstige Arbeitsmoral, mitten in der Saison, das Restaurant und nahm das Jobangebot eines immer wieder kehrenden Gastes aus Mexiko an. Nach einem Monat in Mexiko ging es zurück in die Heimat, wo sie in einem Hotel in der Region Wilder Kaiser für zwei Jahre als Direktionsassistentin in den Bereichen Marketing, Grafikdesign, Website- und Content Management und Guest Relations arbeitete. In ihrer Berufslaufbahn erhielt Silberberger auch immer wieder positives Feedback für ihre wertschätzende Art Mitarbeiter*innen gegenüber. Während dieser Zeit und auch während der Corona Pandemie, wo Maria sich in Kurzarbeit befand, nutzte sie die Zeit, um den Sommelier Österreich mit anschließendem Diplom- Sommelier und den Food- & Beverage- Management Kurs zu absolvieren.
„Auch wenn nicht immer alles gut und toll ist, kann es trotzdem spannend und lehrreich sein und man profitiert definitiv, genau wie bei positiven Erlebnissen, daraus!“
Die Pandemie erweckte in Silberberger Zweifel. Reisen war nicht mehr möglich, alles wirkte so festgefahren und „gegeben“.
Sobald 2021 das Reisen wieder erlaubt war, machte sie sich abermals auf den Weg nach Florida, kam nach einer Saison zurück, um beim Oktoberfest mitzuarbeiten. Diese Zeit war eine der härtesteten beruflichen Erfahrungen ihres Lebens, aber ließ sie auch erkennen, dass sie mit Stress und Unvorgesehenem gut umgehen kann. Ende 2022 ging es abermals zurück nach Vail, um in einem großen Hotel mit mehreren Restaurants zu arbeiten. Amerika ist ein Land, zu dem es Silberberger immer wieder hinzieht. Sie schätzt die freundliche und extrovertierte Mentalität der Amerikaner und die Amerikaner schätzen ihren österreichischen Charme und den Tiroler Schmäh. Der verschwenderische Umgang mit Lebensmitteln und die riesige Müllproduktion der USA hingegen sind Silberberger ein Dorn im Auge.
Für ihren Traum, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, musste Silberberger ihr bisher größtes Opfer bringen und gab 2021 ihre langjährige und glückliche Beziehung zu einem tollen Partner auf. Oft hat sie sich deswegen angezweifelt, doch sie musste es tun, um ihren Weg zu finden.
Manchmal muss es dir selber zuerst schlechter gehen, damit es dann gut wird und du umso höher hinaus kannst! |
Bis zum Frühling ist Silberberger noch in Amerika, dann läuft ihr Visum aus. Langfristig sieht sie ihren Lebensmittelpunkt in Tirol, wo sie im Management oder als Selbstständige in der Gastro- bzw. Hotelier Branche Fuß fassen will. Ideen wären zur Genüge vorhanden.
Die zweite im Bunde ist Nili Kaya, geboren im Frühjahr 1992. Auch sie wuchs in einem idyllischen Dorf auf. Die Eltern trennten sich als Nili 6 Jahre alt war. Für die Mutter war das ein großer Schritt. Aus der Türkei stammend, ohne großen familiären Rückhalt, musste sie als Alleinerzieherin für ihre Tochter stark sein. Der ältere Bruder wuchs bei seinem Vater in der nahe gelegenen Stadt auf. Bei gelegentlichen Besuchen der jeweiligen Elternteile, kam es zwischen den Geschwistern öfters zu Rivalitäten. Heute sind diese Unstimmigkeiten längst passe und Bruder und Schwester pflegen ein inniges Verhältnis.
Eine prägende Person in Kayas Leben war auch ihre „Oma“, welche eigentlich die Vermieterin von ihr und ihrer Mutter war. Die Oma war mit ihrer offenen und liebevollen Art für Nili da, wenn ihre Mutter arbeiten musste.
Nach der Volksschule wechselte Kaya auf eigenen Wunsch auf das Gymnasium, welches die Musterschülerin mit 16 Jahren wieder verließ. Es folgte eine Lehre mit Matura als Restaurantfachfrau. Kaya hat immer schon gerne gearbeitet. Ihren ersten Job hatte sie schon als 12jährige.
Während ihrer Lehrzeit nahm Kaya an einem Lehrlingsaustausch- Programm in der Schweiz teil. Diese Erfahrung war sehr prägend; sie erkannte, dass sie es liebte Gastgeberin zu sein und sah, was im Gastrobereich alles möglich war.
Nach Beendigung der Lehre war Kaya zwei Monate allein und ohne Sprachkenntnisse in Südamerika unterwegs, bevor sie mit 19 Jahren im Posthotel Achenkirch als Chef de Rang zu arbeiten begann. In Achenkirch entdeckte sie auch ihre Leidenschaft für Wein. 2013 absolvierte sie die den Sommelier Österreich und 2014 den Diplom- Sommelier. Beide Male wurde ihr von verschiedensten Seiten massiv davon abgeraten, doch Kaya wusste, dass sie auf ihr Gefühl hören musste, und ihr Arbeitgeber in Achenkirch motivierte und unterstützte sie stark für ihr großes Vorhaben im jungen Alter.
Nach ihren Sommelier Ausbildungen wusste sie, dass sie das Ganze vertiefen musste und ging für eine Zeit lang wieder in die Schweiz, in den gleichen Betrieb wie zu ihrer Lehrzeit. Als Restaurantleiterin erweiterte sie ihre sozialen Kompetenzen im Umgang mit Mitarbeiter*innen. Zudem war der Schweizer Gast sehr anspruchsvoll und direkt, was wiederum ein Ansporn für Kaya war, sich weiterzuentwickeln.
Kaya hatte immer das Glück in Betrieben zu sein, wo sich die Verantwortlichen viel Zeit für sie genommen haben. Außerdem findet sie, dass eine klare Kommunikation von Seiten der Arbeitnehmer*innen wichtig ist. Denn woher sollten Arbeitergeber*innen wissen, welche Ziele jeder bzw. jede einzelne verfolgt.
2015 mit 23 Jahren kam Nili aus der Schweiz zurück und beschloss in den Handel in den Betrieb Morandell zu wechseln. Nach zwei Jahren im Einkauf wechselte sie anschließend innerhalb der Firma in den Vertrieb. Anfänglich eine große Herausforderung, lernte sie schnell das selbstständige Arbeiten und kreative Umsetzen ihres Berufs zu schätzen.
Während der Corona- Pandemie absolvierte Kaya die Weinakademie in Burgenland. Wenn man im Gebiet „Wein“ auf dem neuesten Stand sein möchte, ist ständige Fortbildung unumgänglich.
2022 brach Kaya sich den Arm und hatte vermehrt Zeit zum Nachdenken. Da sie auf der Suche nach einer neuen Herausforderung war und auch ihre Französisch- Kenntnisse vertiefen wollte, beschloss sie ihren Kindheitstraum wahr werden zu lassen und für ein halbes Jahr nach Bordeaux zu übersiedeln. Ihr Entschluss sorgte bei manchen für viel Unverständnis: Wieso einen sicheren Job verlassen? Zudem war Kaya erst seit kurzem verheiratet.
Doch wegen einer Beziehung konnte und kann Kaya nicht ihre eigenen Pläne aufgeben.
Wenn man etwas erreichen will, muss man seine Komfortzone verlassen. Der größte Feind von Erfolg ist die Bequemlichkeit! |
Auf eigene Faust, durch Zusendung von Initiativbewerbungen, sicherte sie sich einen Arbeitsvertrag bei Sara Lecompte Cuvelier, Eigentümerin zweier namhafter Chateaus. Die Zeit in Bordeaux war vielfältig und lehrreich. Als Mitarbeiterin im Weintourismus und Marketing Team durfte Kaya den Besucher*innen aus aller Welt die Weine der Familie Cuvelier präsentieren und die Events am Weingut organisieren. Dass sie dabei vier Sprachen sprechen kann, war mehr als nur hilfreich.
Mittlerweile ist Kaya wieder zurück aus Bordeaux und bereit, neue Wege zu beschreiten.
Wohin es die Kreative, in ihrer Freizeit schneidert sie gern, verschlägt, steht noch nicht fest. Jedoch wird Wein dabei sicherlich eine Rolle spielen.